Berlin, 02. September 2025
Es ist ein bemerkenswertes Schauspiel, wenn der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gleich zu Beginn seiner Amtszeit die Sprache ins Zentrum seiner kulturpolitischen Intervention stellt – nicht etwa als Ausdruck ästhetischer Vielfalt, sondern als Gegenstand von Reglementierung. Erst untersagte er in seinem Ministerium das Gendern, nun empfiehlt er allen öffentlich finanzierten Institutionen, von Museen bis Rundfunkanstalten, auf geschlechtergerechte Sprache zu verzichten.
Begründung: Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit, „keine Spracherziehung“. Man möchte fast applaudieren – wäre es nicht so durchsichtig: Hier wird Kulturpolitik mit Sprachpurismus verwechselt, und eine vermeintlich liberale Geste entpuppt sich als dirigistischer Eingriff.
Dabei übersieht der Minister einen schlichten Umstand: Niemand wird gezwungen zu gendern. Wer das generische Maskulinum bevorzugt, kann es selbstverständlich weiter nutzen. Die einzige „Spracherziehung“ besteht also darin, allen anderen ihre Ausdrucksform zu verbieten.
Es ist nicht das erste Mal, dass über „Genderverbote“ gesprochen wird. Bayern, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben sie bereits für Schulen oder Hochschulen erlassen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat dazu ein Gutachten vorgelegt, das unmissverständlich warnt: Solche Eingriffe gefährden Grundrechte – vom Diskriminierungsschutz über die Wissenschaftsfreiheit bis zur Meinungsfreiheit. „Menschen zu verbieten, inklusive Sprache zu verwenden, ist ein Rückschritt ins letzte Jahrhundert“, so die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman. Dass ausgerechnet ein Kulturstaatsminister eine solche Linie jetzt verstaatlichen möchte, ist mindestens paradox.
Auch die vielzitierte Orthografie hilft Weimer nicht weiter. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hält Genderzeichen zwar noch nicht im amtlichen Regelwerk fest, betont aber zugleich, dass die Frage eine gesellschaftliche und politische sei, keine orthografische. Wer den Rat als Argument gegen Inklusion missbraucht, instrumentalisiert gerade dessen Zurückhaltung.
Der Deutsche Komponist:innenverband hält fest: Sprache ist kein ideologisches Experimentierfeld, sondern Teil kultureller Realität. Die UNESCO-Konvention von 2005 verpflichtet Deutschland, kulturelle Vielfalt zu schützen und zu fördern. Vielfalt in der Sprache ist keine Gefahr für Verständlichkeit, sondern eine Voraussetzung für Repräsentation. Die Behauptung, man müsse Kultur „verständlich“ halten, indem man Vielfalt sprachlich unsichtbar macht, ist nicht liberal, sondern ein autoritärer Reflex.
Wir nehmen mit Interesse zur Kenntnis, dass das übrige Kabinett Weimers Sprachlinie nicht teilt. Keine andere Bundesbehörde hat bislang ein Genderverbot beschlossen. Es wäre auch schwer vorstellbar, dass ein Bundesministerium ernsthaft die Programmautonomie von Rundfunkanstalten oder die Sprachwahl von Theatern zu regulieren versucht. Kunstfreiheit, Wissenschaftsfreiheit und föderale Kulturhoheit sind Grundprinzipien, die sich nicht in einem Sprachdekret erledigen lassen.
Dass die Debatte mit solcher Vehemenz geführt wird, zeigt vor allem eines: Geschlechtergerechte Sprache wirkt. Sie macht sichtbar, was lange unsichtbar bleiben sollte. Darin liegt ihre eigentliche „Gefahr“ – und genau deshalb muss sie bleiben. Der Deutsche Komponist:innenverband (DKV), der für seine Mitglieder hier individuell natürlich auch alle Freiheit der Sprachgestaltung sieht, widerspricht der vom Kulturstaatsminister Wolfram Weimer seit Anfang August propagierten „Anti-Gender“-Linie. Die literarische Vereinigung PEN Berlin hat Weimers Sprachpolitik bereits als kulturpolitischen Irrweg markiert – pointiert und treffend.
Dem schließen wir uns an: Gendern ist nicht alles – aber Verbieten ist nichts.
Kathrin Denner (für den Vorstand des DKV)