Disskusionspapier zum FOCUS-Artikel „Ungeschützte Kultur ist verlorene Kultur“  (FOCUS 19-2012)

Die Diskussion über das Urheberrecht wurde schon vor den „Piraten“ von den PopMusikern, den Veranstaltern und den Tonträgerherstellern, die möglichst nichts an die Autoren abgeben wollen, gegen die GEMA geführt. Dabei handelt es sich um die „geiz-ist-geil-community“, die alles umsonst runterladen oder veranstalten oder möglichst ohne Beteiligung der Autoren verkaufen will. Den „Piraten“ darf man zugutehalten, dass sie immerhin dem Autor erlauben wollen, von seinem Werk so lange leben zu dürfen, wie er „Brötchen“ einkaufen muss. Dann allerdings gehört es den „Piraten“. Zynischer geht es nicht!

Und da diese „community“ sehr zahlreich vertreten ist und ebenso viel Power besitzt, ist zu befürchten, dass sie mit ihrer Forderung, das geistige Eigentum auf den Tod des Urhebers zu begrenzen, durchkommt, wenn die Urheber selbst und deren Vertreter nicht mit genau derselben Power dagegen vorgehen. Und die einzige logische Forderung dagegen sollte die Aufhebung der Begrenzung des Schutzes des geistigen Eigentums sein, weil dann eine solche Diskussion nicht mehr stattfinden muss.
Es handelt sich bei der Forderung zur Angleichung des Schutzes des geistigen Eigentums an den des materiellen um ein europäisches Thema, welches nicht durch nationale Alleingänge, sondern nur über die EU-Gesetzgebung entschieden werden kann. Natürlich müssen vorerst die nationalen Verbände sich zusammenschließen, um dann beim EU-Gesetzgeber das Gewollte durchzusetzen. Genau das haben die Verbände des Leistungsschutzes, also die Tonträgergesellschaften in Verbindung mit den Interpreten wie die Beatles u.a. getan und damit den Erfolg beim EU-Gesetzgeber gehabt, indem dieser Schutz (mal wieder willkürlich) von 50 auf 70 Jahre verlängert wurde.

Wieso kann man also die Angleichung des Schutzes des geistigen Eigentums an den Schutz des materiellen Eigentums lt. Artikel 14 des deutschen GG nicht auch erreichen? Was spricht dagegen? Oder wollen wir immer weiter darüber diskutieren müssen, ob dann auf 90 Jahre, 100 Jahre, 110 Jahre, 150 Jahre, natürlich immer willkürlich, weil es keine logische Erklärung dafür gibt, gnädig verlängert wird? 30-50-70 Jahre grundloser Verlängerung (außer dem einzigen Grund der Vermarktung zur Erzielung von Steuereinnahmen) haben wir ja schon hinter uns.

Der Focus-Artikel „Ungeschützte Kultur ist verlorene Kultur“ sollte eine konstruktive Anregung dazu geben, dass endlich das Grundübel der Gesamtdiskussion über das Urheberrecht und über deren Verwertung/Beteiligung auf eine moralisch/ethische Grundeinstellung gebracht werden könnte, wenn der Schutz des geistigen Eigentums endlich genauso behandelt würde, wie der des materiellen Eigentums. Die Menschen (mindestens in den demokratischen Ländern) würden das geistige Eigentum als genauso unantastbar ansehen, wie das materielle. Klau ist Klau. Wenn ein Auto geklaut, ein Haus besetzt wird, regt man sich zu Recht auf. Wenn Kunst/Kultur geklaut wird, müssen wir darüber diskutieren, ab wann das gut und richtig sein sollte. Wenn ein Titel im Netz ohne Bezahlung runtergeladen wird, sind alle Beteiligten beklaut worden: Der Autor, der Künstler und der Produzent/Vermarkter. Uns allen muss es also darum gehen, jeder in seiner Position (auch bei Ausübung mehrerer Positionen) gerecht beteiligt zu werden und das so lange wie das Werk, der Tonträger oder das Video besteht, also zu verkaufen ist. Was entweder aus Mangel an Qualität oder auch nur aus Gründen von modischen Entwicklungen nicht zu verkaufen ist, kann hier nicht zur Diskussion stehen, obwohl es gerade beim geistigen Eigentum absolut schützenswert bleibt, denn dabei handelt es sich um Kultur, die ein kreativer Wert aus menschlichen Erfahrungen und zeitgeschichtlichen Vorgängen ist und so einen wichtigen Teil der heutigen Werte-Diskussion bildet.

Grundsätzlich ist der Erhalt des geistigen Eigentums wertvoller als der des materiellen, der irgendwann den Weg alles Vergänglichen gehen muss. Das Geistige bleibt, was dümmlicher Weise einige Befürworter der Schutzaufhebung auch als paradoxes Argument vorbringen. Auch das geistige Eigentum kann nur im Sinne des Schöpfers/Autors erhalten bleiben, wenn es in diesem Sinne geschützt wird. Es zerfällt durch Missbrauch genau wie das materielle, wenn es in seiner Struktur, in seinem eigentlichen Sinne nicht mehr beschützt werden kann. Das Grundübel ist und bleibt die Tatsache, dass der ideelle u n d materielle Wert des geistigen Eigentums überhaupt zur Diskussion gestellt worden ist durch die willkürliche Behandlung desselben durch die Politik seit der Schaffung des Urheberrechts/geistigen Eigentums. Man hat sich daran gewöhnt und meint deshalb, dass es nur so sein kann. Und natürlich hätten alle Herren und Damen Urheberrechtler große Veränderungen in ihrem Denken und in ihren Ausführungen zu verkraften, vielleicht sogar weniger Prozesse auf diesem Gebiet zu führen, die heute symptomatischer Weise meist gegen die Autoren und zugunsten der Wirtschaft, also der Vermarkter von den Gerichten entschieden werden. Wir scheinen in einer nur noch materialistischen Zeit zu leben, weshalb der Kampf für das geistige Eigentum, bzw. der Erhalt dieser Werte umso wichtiger ist.

Wer kann die Frage beantworten, wem eigentlich die Begrenzung des Schutzes des geistigen Eigentums tatsächlich nützt? Wie ausgeführt, nützt dies noch nicht einmal der Politik, die diesen Schutz willkürlich immer weiter verlängert. Und das tut sie doch nur, weil damit Umsatz (Einnahmen/Steuern) gemacht wird. Sie tut das jedenfalls nicht, weil sie die Menschen und deren Kultur so lieb hat. Für die Angleichung des Schutzes des geistigen Eigentums an den des materiellen müssen sich die Autoren, die Verwerter, die Verbände, zusammen mit anderen europäischen Verbänden, möglichst gemeinsam einsetzen, um dieses Ziel beim EUGerichtshof zu erlangen. Und das ist möglich, weil es gerecht, zeitgemäß und demokratisch ist, und weil dem kein logisches Argument entgegensteht. Denn auch das geistige Eigentum verpflichtet! Wenn nicht sogar noch mehr als das materielle!

Artikel 14 GG:
1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden
durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit
dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch
Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der
Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen
der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der
Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Marguerite Kollo wurde bei der gesetzlich erfolgten Enteignung des geistigen
Eigentums von Walter Kollo seit 1.1.2011 bisher nicht entschädigt.

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