Musik ist flüchtig wie ein Phantom – real ist nur der Umgang mit ihr
Was für eine Rolle spielt Musik in unserem Leben? Wollen wir nur fortwährende Selbstbestätigung oder wollen wir herausgefordert werden? Sind wir mit allem so wie es ist zufrieden, oder treibt uns eine unersättliche Neugier an?
Eines ist sicher: Die Musik der Vergangenheit ist nur dann wirklich zu entschlüsseln, wenn ihr eine starke Musik der Gegenwart gegenübersteht. Ansonsten ist sie nur ein Abglanz, eine Statue ohne Leben. Daher haben alle großen Komponierenden immer Musik für ihre Gegenwart geschrieben, und es war ihnen wichtig, dass junge Menschen diese spielen.
Musik ist die schönste Bildung, weil sie einen zu nichts erziehen will, sondern nur Chancen eröffnet. Ausblicke auf etwas Anderes, Höheres, Wildes, Verrücktes und Tröstendes. Im gemeinsamen Musizieren in einem Orchester finden junge Menschen sich selbst in einer Gemeinschaft, die mehr will als das, was die Gesellschaft einem oft trügerisch als erstrebenswert vermittelt. Musik ist die große Gegenwelt – sie unterdrückt nicht, sondern sie stärkt uns. Musik zu machen, heißt nicht zu lügen, heißt im besten Sinne des Wortes wahrhaftig zu sein.
Jobst Liebrecht hat in den vergangenen 20 Jahren Enormes mit dem Jugendsinfonieorchester Marzahn-Hellersdorf geleistet. Er hat nicht nur junge Menschen zum Musizieren angeregt, er hat Herzensbildung betrieben, Horizonte eröffnet und Welten ermöglicht. Dass es ihm dabei immer wichtig war, dass die Jugendlichen auch Musik von Heute spielen und vor allem auch uraufführen, ist keine Marotte. Er befindet sich damit in der Tradition großer Komponisten wie Bach, Mozart, Henze oder Hindemith, denen das Komponieren für junge Menschen ein wichtiges Anliegen war. Zu anstrengend? Wenn Musik nicht anstrengend wäre, dann wäre sie nichts Besonderes, dann bräuchte man sie nicht. In der Anstrengung wächst man über sich hinaus. Mit gemeinsamen Anstrengungen und Erfolgserlebnissen stärken wir junge Menschen und geben ihnen eine Perspektive, die ihnen Mut und Selbstbewusstsein gibt.
Es ist unglaublich wichtig, dass dieses Jubiläum gebührend gefeiert wird, und dass man es als genauso wichtig erachtet wie einen Siemens-Musikpreis an Simon Rattle oder einen Oskar für Hans Zimmer.
Unter uns: Ich finde es sogar viel, viel wichtiger.
Ich danke Jobst Liebrecht von Herzen für seinen Dienst an der Musik von Heute und Gestern. Und vor allem für seinen Dienst an der Musik von Morgen.
Moritz Eggert