Die deutschen Musikautorenverbände appellieren, unterstützt von Landesmusikräten und weiteren Musikverbänden und –vereinen, an die Ministerpräsidenten der Bundesländer, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf die Erfüllung ihres Kulturauftrags auch hinsichtlich der Musikauswahl zu verpflichten und für eine stärkere Berücksichtigung von Musik in Deutschland schaffender Autoren (Komponisten, Textdichter, Bearbeiter) und Interpreten aller musikalischer Sparten zu werben.

Wir schlagen Ihnen vor, in diesem Sinne die Rundfunkintendanten und Hörfunkdirektoren mit der Entwicklung von verbindlichen Mindeststandards und überprüfbaren Kriterien eines präzisierten Kulturauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beauftragen.

Unabhängig davon müssen diese Mindeststandards unbedingt in die nächste Änderung des Rundfunkstaatsvertrags einfließen. Für den gesamten Prozess stehen die deutschen Musikautorenverbände gern beratend zur Verfügung.

Tatsache ist: Der Anteil von Musik jeglichen Genres an den Hörfunkprogrammen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegt bei 62% (ARD-Jahrbuch 2010, S. 361). Somit trägt Musik entscheidend zur Erfüllung des Auftrags bei, wie er in § 11 des Rundfunkstaatsvertrags (Fassung vom 18.12.2008) niedergelegt ist. Demnach sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verpflichtet, die „kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen“ und „Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.“

Gerade die föderale Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bietet breiten Raum für regionale Themen aller wesentlichen Lebensbereiche. Aufgrund ihres quantitativ herausragenden Anteils zählt dazu insbesondere die Musik. Von zentraler Bedeutung sollte dabei die angemessene Berücksichtigung von Musikautoren und Interpreten aller Genres aus den jeweiligen Sendegebieten sein.

Die Hintergründe:

Im Rundfunkstaatsvertrag wird Musik sowohl unter dem Oberbegriff Kultur als auch unter dem Oberbegriff Unterhaltung genannt. Damit liegt es nahe, diese Anforderungen auf die gesamte Breite und alle Genres der Musik anzuwenden.

In der nachfolgenden Statistik bezieht sich die „AG Rundfunk“ des Deutschen Komponistenverbands (DKV) auf Zahlen, die die Anteile von E- und U-Musik in den Jahren 2005 – 2011 belegen. Die Tabelle ist aufgeschlüsselt für die Hörfunkprogramme der Sender BR, HR, MDR, NDR, SR, SWR und WDR zu urheberrechtlich geschützter Musik.

(Quelle: INFORMATIONEN Nr. 82/ 2011, Verbandszeitschrift des DKV, S. 30, nach GEMA-Angaben aktualisiert im August 2012)

Durchschnittliche Anteile an Sendeminuten in %
(Hörfunksender: BR, HR, MDR, NDR, SR, SWR, WDR)

 

  Inländisches geschütztes Repertoire Ausländisches geschütztes Repertoire
  E U gesamt E U gesamt
2005 1,5 27,0 28,5 3,0 68,5 71,5
2006 1,2 28,2 29,4 2,5 68,2 70,7
2007 1,2 27,5 28,7 2,4 69,0 71,4
2008 1,1 26,8 27,9 2,0 70,2 72,2
2009 1,0 27,0 28,0 1,8 70,2 72,0
2010 0,8 33,4 34,2 1,5 64,6 66,1
2011 0,7 33,3 34,0 1,4 64,6 66,0
Durchschnitt 1,1 29,0 30,1 2,1 67,9 70,0

 

Im Siebenjahresdurchschnitt beträgt danach der Anteil ausländischer geschützter Musik 70%, ein erstaunlich hoher Wert angesichts der föderalen Struktur des Rundfunks. Dabei ist der Anteil des inländischen geschützten Repertoires im Bereich der E-Musik im Zeitraum 2005 – 2011 sogar um über die Hälfte zurückgegangen. Das Gleiche gilt aller-dings auch für das ausländische geschützte Repertoire der E-Musik. Unter dem Aspekt des Kulturauftrags erscheint bedenklich, dass der E-Musikanteil innerhalb des geschützten Repertoires im Siebenjahresdurchschnitt bei nur 3,2% liegt (von 4,5% im Jahr 2005 bis nur noch 2,1% im Jahr 2011). Die Vermutung liegt nahe, dass dabei aktuelle kompositorische Entwicklungen nur eine marginale Rolle spielen; denn auch viel gespielte und gesendete Komponisten wie Richard Strauss (1864 – 1949) und Dimitri Schostakowitsch (1906 – 1975) repräsentieren aufgrund der 70-jährigen gesetzlichen Schutzfrist ab dem Tod des Komponisten das urheberrechtlich geschützte E-Musik-Repertoire.

Trotz des geringfügigen Anstiegs seit 2010 verharren die Zahlen für inländische U-Musik weiterhin auf niedrigem Niveau, zumal die Statistik auch repetitive Formate enthält, wie z. B. Musik in Werbung, Hintergrundmusiken und Erkennungsmelodien.

Auch die Zusammensetzung des ausländischen U-Musik-Repertoires wirft Fragen auf: US-amerikanische Musik dominiert, gefolgt von britischer. Musik aus anderen EU-Mit-gliedstaaten hat nur geringe Chancen, in Deutschland gesendet zu werden. Das Zusammenwachsen Europas findet im Hörfunk – jedenfalls musikalisch gesehen – nicht statt. Nähere Informationen hierzu bei Emmanuel Legrand: Monitoring the cross-border circulation of European music repertoire within the European Union, report commissioned by EMO (european music office) & Eurosonic Noordeslag, January 2012. Ein weiteres Ergebnis der EMO-Studie ist, dass in keinem der sechs näher untersuchten Länder der Anteil des nationalen U-Musik-Repertoires im Rundfunk derart gering und die Dominanz des anglo-amerikanischen Repertoires derart erdrückend ausfallen wie in Deutschland.

Quelle: http://www.musicaustria.at/sites/default/files/emo_report_european_repertoire.pdf

Welche Gründe sprechen dafür, den beschriebenen Zustand zu ändern?

  • Die Hörfunkprogramme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten tragen erheblich zur kulturellen Identität der Bürgerinnen und Bürger bei. Durch Wort- und Musikbeiträge aus ihrem Sendegebiet fühlen sie sich in ihrer Region verankert.
  • Die bewusste Berücksichtigung u. a. auch junger Musikautoren (Komponisten, Textdichter, Bearbeiter) und Interpreten aus Deutschland im Rundfunk stärkt die Existenz der Kreativen und zugleich in ideeller und wirtschaftlicher Hinsicht den Kulturstandort Deutschland.

Möglichen Einwänden, dass die Festlegung von Mindeststandards durch die Politik zu weitgehend die Freiheit der Programmgestaltung beschneide und daher nicht verfassungskonform sei, kann entgegengehalten werden, dass es nicht um eine Vorschrift geht, welche Musik aus einem Bundesland gesendet werden soll und welche nicht. Vielmehr treten wir für eine ausgewogene und vielfältige Musikauswahl ein, die zu dem Profil eines Programms, wie es sich auch in den Wortbeiträgen dokumentiert, passt.

Kopien dieses Appells erhalten die Ministerpräsidenten der Länder, die Kultusminister der Länder, die kulturpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien und namhafte Pressevertreter.

In Zusammenhang mit diesem Appell veröffentlichen wir eine Pressemitteilung

Wir freuen uns, wenn wir Ihre Aufmerksamkeit auf ein wichtiges kulturpolitisches Thema lenken konnten und sind gern zum Gespräch mit Ihnen in Berlin oder auf Länderebene bereit. 

 

Die Initiatoren und Erstunterzeichner

 CC Composers Club e.V.

Deutscher Komponistenverband e. V.

Deutscher Musikverleger-Verband e.V.

Deutscher Rock & Pop Musikerverband e.V.

Deutscher Textdichter-Verband e.V.

Deutscher Tonkünstlerverband e.V.

Union Deutscher Jazzmusiker e.V.

Vereinigung Deutscher Musik-Bearbeiter e. V.

Weitere Unterstützer: Allgemeiner Cäclien-Verbandfür Deutschland, Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände e.V., Landesmusikrat Hessen e.V., Landesmusikrat Rheinland-Pfalz e.V., Sächsischer Musikrat e.V., Verband der Deutschen Konzertdirektionen e.V., Verband Deutscher Schulmusiker e.V.

(Die Unterschriftenliste liegt in der Geschäftsstelle des Deutschen Komponistenverbandes vor.)